Mittwoch, 19. November 2008

Geld darf nicht zum Mammon werden

In der gegenwärtigen Finanzkrise haben sich die Kirchen mit öffentlichen Äußerungen weise zurückgehalten. Der Papst erinnerte zwar an die Worte der Bergpredigt gegen den Mammon, aber ansonsten wissen die Kirchenvertreter wohl sehr genau, dass dies keine Stunde des Auftrumpfens derer ist, die es immer schon besser wussten. Nicht nur das Schicksal der Vatikanbank und die von einer kleinen Landeskirche bei den Lehmann Bros. versenkten Millionen lehren, dass Christen dem Geldgeschäft nicht entkommen. Wer, mit manch Euro auf der hohen Kante, kämpfte in den zurückliegenden Jahren nicht gegen die Versuchung, sein Erspartes von der Sparkasse abzuziehen und wegen einiger Zehntel Prozentpunkte mehr bei einer anderen Bank anzulegen? Kein Grund also, nun belehrend mit den „Finanzhaien“ abzurechnen, sondern ein Anlass, gemeinsam darauf zu schauen, was aus christlicher Sicht zum Geld zu sagen ist.

Besitzlosigkeit haben die Christen weder propagiert noch Jesu Jünger praktiziert. Sie hatten wohl eine gemeinsame Kasse (Joh. 13,29) und auch ihre Familien hatten ihr finanzielles Auskommen. Einige besaßen immerhin Boote, auf dem dreizehn Männer Platz fanden (Mk. 4,35f.) und es gibt keinen Hinweis darauf, Jesus bei seinem Eintreten für die Armen (Lk. 6,20) seine Jünger oder die eigene Familie im Blick hatte. Im Gegenteil, er hat reiche Anhänger und Verehrerinnen. (Mk. 14,3) Allerdings war die damalige wirtschaftliche Situation eine völlig andere als heute. Fast alle Menschen lebten in einer für uns unvorstellbaren materiellen Knappheit. Als „arm“ galt bei Jesus aber nur, wer für sein Auskommen nicht sorgen konnte, sei es als Witwe (Mk. 12, 41) oder weil er krank war. Ein Auskommen zum Überleben sollte jeder finden (Mt. 20, 1ff.). Das ist Jesu Verständnis von Gerechtigkeit.

Obgleich in den Siebzigern gerne kolportiert, war Jesus gewiss kein Sozialist. Mit großer Selbstverständlichkeit nutzt er kapitalistisches Gewinnstreben als Vorbild im Gleichnis (Lk. 19,11ff.). Dass den Reichen ihr Geld zu nehmen sei, sagt er an keiner Stelle. Der reiche Jüngling (Mk. 10,17ff.) wird von ihm nicht deswegen abgewiesen, weil er reich ist, sondern in seinem Besitz gefangen. Geld ist also nicht grundsätzlich das Problem, sondern nur dann, wenn es nicht mehr Mittel zum Leben ist, sondern dessen Ziel als Götze „Mammon“. (Mt. 6,24) Geiz und Gier sind die beiden Seiten einer Medaille, die Arm und Reich auf falsche Pfade führt.

Diese falschen Pfade sind wir alle gegangen, die Investmentbanker, die nur für die eigene Tasche wirtschafteten ebenso wie die Kunden, die Geiz „geil“ fanden, die Besitzstandwahrer ebenso wie der besserwisserische „Wirtschaftsweise“. Für uns alle gilt, was schon in den biblischen Sprüchen (14,24) steht: Den Weisen ist ihr Reichtum eine Krone; aber die Narrheit der Toren bleibt Narrheit.

Gerade allerdings haben wir die große Chance, aus Schaden klug zu werden. Denn auch wer jetzt Geld verloren hat, wird nicht verhungern, sondern wir können lernen, uns voll Vertrauen das Wort Jesu zu Herzen zu nehmen: „Darum sollt ihr nicht sorgen, denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ (aus Mt. 6,31-33)

Eine gesegnete Adventszeit wünscht Ihnen

Matthias Treiber

Dienstag, 21. Oktober 2008

Wo Träume wahr werden


Man mag das Motto der Disney-Parks „Where dreams come true“ belächeln, aber die Populärkultur produziert und präsentiert immer wieder diese wohlig-schauerlichen Erlebnisse, dass Träume tatsächlich wahr werden können.

Jüngstes Beispiel ist die britische Casting-Show „Britain’s Got Talent“, wo selbst dem dortigen Dieter-Bohlen-Verschnitt die Stimme weg blieb, als ein kleiner Mann mit krummen Zähnen ein großes Publikum mit einer Arie von Puccini zu Tränen rührte. Der ehemalige Handy-Verkäufer Paul Potts ist inzwischen ein gemachter Mann und auf Welt-Tournee, während wir kleinen Normalbürger uns mit ihm freuen dürfen, dass so etwas möglich ist: dass Träume wahr werden.

Ein unbedarfter Nobody war Potts natürlich nie. Hinter ihm liegen nicht nur Jahre im Kirchenchor, sondern auch eine grundsolide Gesangsausbildung und der Wille, aus seinem Gesangstalent etwas zu machen. Ohne eigene Anstrengung wird man eben auch im populären Klassikgeschäft nichts.

Und Philosoph ist Potts auch. Seine Dissertation schrieb er über die Frage des Bösen und des Leidens in einer von Gott geschaffenen Welt. Neben den philosophische Überlegungen gibt es darauf für mich nur eine Antwort, die trägt, die des Glaubens: Dass Gott gerade mit denen ist, die leiden, die Trauer tragen, die im Leben zu kurz kommen und die nicht mithalten können. Was uns belastet, wird Gott nicht einfach wegnehmen, aber er nimmt uns an der Hand und zuweilen führt er uns auf Wege, wo unsere Träume wirklich wahr werden.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr

Matthias Treiber

Dienstag, 14. Oktober 2008

Danke zum Erntedank

Bei Google steht es 99 zu 403 Millionen. So oft jedenfalls sind die Begriffe „Danke“ und „Bitte“ dort gelistet. Nur auf jede vierte Bitte folgt also ein Dank. In der Musik ist es wohl ähnlich. Arg häufig wird dort auch nicht „Danke“ gesagt. Gewiss, „Thank You for the Musik“ von Abba, klingt immer noch ganz toll, aber sonst?

Immerhin gibt es noch „Danke für diesen guten Morgen“ von Martin Schneider. Es gehörte schon bei „Sie wünschen – wir spielen“ zu den beliebtesten Kirchenliedern. Noch heute erklingt es bei vielen Hochzeiten und Familiengottesdiensten – nun auch wieder zu Erntedank. Und Danke sagen sollte man tatsächlich öfters:

Für Gesundheit und für die Familie und Freunde natürlich – und für die Kraft, eine Krankheit zu ertragen und manche Einsamkeit dazu.

Für Frieden, Freiheit und Wohlstand in unserem Land – und für die Menschen, die öffentliche Verantwortung dafür wahrnehmen.

Für eine gute Ernte und einen guten Tropfen – und für die manchmal ärgerliche Erinnerung daran, dass auch das Maßhalten nötig ist.

Für alle Bewahrung auf allen Wegen des Lebens – und für manche Erfahrung von Grenzen, die uns vor uns selbst bewahren.

Dafür möchte ich an Erntedank danken.

Ihr
Matthias Treiber

Dienstag, 17. Juni 2008

Einfach so nachgeben?

Ein Kratzer im Autolack, ein Lappalie, die sich mit der Versicherung schnell regeln lässt. Doch dann streitet die Unfallverursacherin plötzlich alles ab. Die Polizei wird gerufen. Ärger und ein langer Streit ums Recht.

Es ist doch tatsächlich unser „gutes Recht“, Recht zu bekommen. Wohl kaum etwas scheint Leute so zu belasten wie das Gefühl, einem Unrecht ausgeliefert zu sein. Seit fast jeder eine Recht-schutzversicherung hat, wird – man möchte fast sagen – „auf Teufel komm raus“ prozessiert: Wegen Efeubewuchs auf der Grundstücksmauer oder Kindern auf dem Spielplatz, wegen dem Läuten der Kirchenglocken und vielen anderen Bagatellen.

Der Teufel lauert da wohl tatsächlich zwischen all dem Rechthaben und Rechtbekommen – und vor allem nagt er an der Seele. Aus dem – oft vermeintlichen – Unrecht wächst unser Zorn. Doch die Bibel hat wenig Vertrauen in die irdische Gerechtigkeit. Sie gilt meist als Mittel der Mächtigen, die Armen zu unterdrücken.

Also die andere Wange hinhalten? Einfach auf sein „gutes Recht“ verzichten? Demütig sein – und zwar da, wo es weh tut?

Einfache Lösungen wird es nicht geben. Aber in einer Gesellschaft der „Prozesshansel“ wird man darauf hinweisen müssen, dass es manchmal für die eigene Seele doch besser ist, nachzugeben, als sich ewig benachteiligt zu fühlen.



Das meint Ihr

Matthias Treiber

Sonntag, 25. Mai 2008

Rentner vs. Jugend ?

Die Sache ist für uns Christen eigentlich ganz einfach: Wir sollen „Vater und Mutter ehren“ heißt es im vierten Gebot, und das bedeutet ganz klar, dass die Jüngeren für das Auskommen der Älteren zu sorgen haben.

In unserem durchregulierten Staat scheint das nun allerdings nicht mehr so einfach zu sein. Eine zwar nur geringe Rentenerhöhung, die aber zugleich das wohl austarierte Finanzierungssystem über den Haufen wirft, lässt die Kolumnisten nun einen „Kampf der Alten gegen die Jungen“ be-fürchten.

Die Wirklichkeit ist eine andere. Der Kampf der Generationen findet nicht statt. Viele Ältere werden aufopferungsvoll von ihren Kindern gepflegt – und viele jüngere Familien könnten ihren Alltag ohne die Unterstützung der Großeltern durch Babysitting, Bring-, Hol- und Fahrdienste gar nicht bewältigen. Ganz davon abgesehen, dass viele Ruheständler, soweit ihnen das möglich ist, ihren Kindern zumeist auch finanziell unter die Arme greifen.

Das Problem ist nicht das Zusammenleben der Generationen, sondern das Versagen der Politik – angefangen von Adenauers Rentenreform 1956 über die Beschwörungsformel „Die Rente ist sicher“ zu Kohl Zeiten bis hin zur systematischen Benachteiligung von Müttern im Rentensystem. Hier ist ganz einfach sinnvolles politisches Handeln gefragt - und nicht unverantwortliche Stim-mungsmache.

Das meint
Ihr
Matthias Treiber

Samstag, 12. April 2008

Heidi Knadenlos

Tief schaut Heidi Klum dem Mädchen in die Augen, lässt es eine Ewigkeit lang zappeln und spricht ein paar Worte, die sich keine Schülerin von ihrer Lehrerin gefallen lassen würde - und wieder löst sich der Traum von der Karriere als Model in Tränen auf.

„Germany’s Next Topmodel“ ist ein absolutes Muss und zählt zusammen mit „Deutschland sucht den Superstar“ zu den Quotenbringern des Fernsehens. Junge Menschen träumen von Karrie-ren, für die die meisten nicht entfernt begabt genug sind, und lassen sich dafür von etablierten Proleten und Modepüppchen gnadenlos fertig machen.

So weit so schlecht werden eben die Träume von Durchschnittsmenschen ausgenutzt. Be-merkenswert finde ich allerdings, mit welcher Leidenschaft gerade Jugendliche diese Sendungen anschauen. Ist es Schadenfreude über die Versager? Ich denke nicht. Viel eher spielt Solidarität mit anderen eine Rolle, die auch nicht mehr können, als man selbst, und die stellvertretend für einen die Karriereträume – und ihr Zerplatzen – durchleiden.

Beide Sendungen zelebrieren eine Welt, die wohl so ist wie sie ist – leistungsorientiert und menschenverachtend .

Die Kirche ist so ziemlich das Gegenteil davon. Hier wird jeder so angenommen, wie er ist, und der Wert eines Menschen ergibt sich nicht aus seiner Leistung, sondern aus der Liebe, zu der Gott uns Menschen befähigt hat.

Junge Menschen spüren das. Wohl deshalb fühlen sich so viele Jugendliche in der kirchlichen Jugendarbeit so wohl.


Das meint Ihr
Matthias Treiber

Dienstag, 4. März 2008

Sido als Jesus - Wo Hip-Hop Mist ist ...

„Mir ist es völlig egal, ob jemand in Afrika hungert oder in Südamerika im Ghetto abgeknallt wird. Ich bin da nicht, ich lebe da nicht. Mir geht es gut. Ich brauche nicht aufgrund meines angeblich schlechten Gewissens so zu tun, als hätte ich mit irgendeinem gottverdammten Menschen auf dieser Welt Mitleid.“

Bushido setzt sich in der „netzeitung.de“ mit seiner Mitleidlosigkeit wenigstens nicht an die Stelle Jesu wie sein Hip-Hop-Brother Sido, der sich bei einem seiner Videoclips ans Kreuz hängt.

Wer wissen will, wie und warum manche Jugendliche heute so daneben sind, sollte einen Blick auf den rhythmischen Sprechgesang werfen. Aufgetan wie Zuhälter feiern sich diese Musiker mit frauenfeindlichen Texten und gewalttätigem Gehabe vor allem selbst.

Natürlich verdient es Beachtung, dass sich im Hip-Hop die vermeintlich Unterprivilegierten äußern. Dennoch schaudert einen bei dem Gedanken, dass irgendjemand das Getue des Hip-Hop vielleicht auch ernst nehmen könnte.

Letztlich ist es wie bei den Killerspielen. Normalen Jugendlichen schadet das alles nicht – aber gefährdet sind die, die sich von der Gewalt, dem Rassismus und Sexismus der Hip-Hop-Texte faszinieren lassen. Hier heißt es klar dagegen halten. Dass die Kritik von uns über 40jährigen nicht gut ankommt ist klar. So sind hier vor allem Jugendliche selbst gefragt, ihren Altersgenossen klar zu machen, was geht und was einfach nur Mist ist.


Das meint

Ihr
Matthias Treiber

Dienstag, 12. Februar 2008

Ich bin dann mal da

Genug weg gewesen, möchte ich den Pilgern in den Fußstapfen von Hape Kerkeling zurufen. Der Jakobswegboom ist ja wirklich beeindruckend. Auch wir Heilbronner Pfarrer haben schon eine kleine Etappe auf dem Weg nach Santiago – zwischen Weingarten und Meersburg – hinter uns, und eines Montags den Jakobsweg vom Pfarrhaus in Sontheim bis nach Eppingen zu gehen, fand ich auch ganz cool.

So langsam könnte man die Kirche allerdings auch wieder im Dorf lassen, respektive dort aufsuchen. Wer sich auf dem Pilgerweg an Leib und Seele etwas Gutes getan hat, steht ja vor der Frage, wie er damit umgeht, wenn er wieder zurückgekehrt ist. Lässt sich gutes, richtiges Leben nur auf Wegen in der Ferne entdecken? Ehrlicherweise ist es tatsächlich so, dass man zuweilen weg muss, um wieder richtig da zu sein. Das gilt nicht nur für das Pilgern, sondern für jeden Urlaub und manchmal sogar für einen abendlichen Kneipenbesuch.

Diesen anderen Blick kann man aber mit in den Alltag nehmen: Glaube als verändernde Kraft spüren. Die Dinge anders sehen – die Beziehungen und die Aufgaben, die vermeintlichen Pflichten und die vermeintlichen Freiheiten.

Auch hier, in unserem alltäglichen Leben, gibt es unendlich viel zu entdecken und zu gestalten. „Macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist,“ heißt es schon beim Propheten Hesekiel – am besten gleich hier und heute. Der Besuch unserer Gottesdienste hilft dabei – nicht nur in Santiago di Compostela.

Mit den besten Wünschen

Ihr

Matthias Treiber

Freitag, 4. Januar 2008

Wellness für den Kopf

Nachdem nun auch die Modemacher die Religion als neuen Trend entdecken, muss wohl etwas dran sein. Michael Michalsky, ehemals Creativ Director von Adidas und gefeierter Designer, prophezeit jedenfalls für 2008 im Magazin Cicero, dass Religion und Bildung „die mentale Stimmung“ prägen als „Wellness für den Kopf“.

Das Lob der Religion stimmt im Vergleich zum Kirchenuntergangsgerede vergangener Jahrzehnte positiv, könnte sich aber für die evangelische Kirche als (wenn schon Bildung, dann sei es so gesagt:) Danaergeschenk erweisen. Denn mit süßem Nichtstun im Whirlpool haben Religion und Bildung ja nicht unbedingt etwas zu tun.

Bildung fällt einem nicht in den Schoß, sondern Denken ist immer Arbeit, bei der es gilt, Inhalte wahrzunehmen, zu verstehen und dann auch noch möglichst selbständig in einen persönlich bedeutsamen Zusammenhang einzuordnen. Uff!! Kein Wunder, wenn viele lieber im Whirlpool der Plappermeinungen liegen bleiben. Simplify your life! heißt dann das Motto.

Mit der Religion verhält sich das ähnlich. Der Besuch von Events, bei denen man dem Papst auf der Festwiese zujubelt oder während der Dresden-Reise einem Konzert in der Frauenkirche lauscht, ist das Eine, das für die Seele erholsam sein mag wie ein Saunagang nach einem anstrengenden Tag.

Religion aber als tragfähig Antwort auf die eigene Sinnfrage, von der Michalsky redet, zu gewinnen, setzt Anstrengung voraus. Ohne Gottesdienstbesuche, Gespräche und christliche Nachfolge in der Nächstenliebe ist das eben nicht zu haben. Aber es lohnt sich ja auch im Sporthotel, neben aller „Wellness“ ein bisschen ins Fitnessstudio zu gehen.

In diesem Sinne ein aktives 2008
wünscht Ihnen herzlich

Ihr
Matthias Treiber